Mittsommertod by Nehlsen Hanne

Autor:Nehlsen, Hanne [Nehlsen, Hanne]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2016-07-25T22:00:00+00:00

Sechzehn

Als Jonas am nächsten Morgen die Dienststelle betrat, war Ráidnersson schon anwesend. Der Inspektor musste am Vorabend noch lange im Büro gewesen sein. Jonas hatte kaum Platz genommen, als Ráidnersson erschien und ihm den Entwurf des Protokolls reichte. »Wollen Sie es sich noch einmal ansehen?«, fragte er, »bevor ich es von Hassel unterschreiben lasse.«

Ist es mangelndes Selbstbewusstsein?, fragte sich Jonas. Oder versuchte Ráidnersson sich anzubiedern? Jonas sah das Schriftstück durch, notierte ein paar Ergänzungen und gab es dem Inspektor zurück. Von Agssagssak war nichts zu sehen.

Dafür hielt Tällberg eine Überraschung bereit. Der Polisintendent hatte sich schon lange nicht mehr so befreit am Telefon angehört.

»Wir haben das Gelände in Linköping mit Kameras überwacht«, begann er und berichtete von der flächendeckenden Aufzeichnung. »Sie haben davon auch profitiert, da der Kollege am Joystick die Handgreiflichkeit von Taijo Puri gegen Sie mitgeschnitten hat. Das ist aber nicht alles.«

Tällberg verpflichtete Jonas zur absoluten Vertraulichkeit. »Es wäre fatal, wenn die Öffentlichkeit davon erführe.« Aus Deutschland stammte eine neue Software, die allerdings noch in der Erprobungsphase war. Die Betaversion war auch den Schweden zum Testen zur Verfügung gestellt worden. Nicht neu war, dass man mittels Kamera und Software Kraftfahrzeugkennzeichen scannen und auswerten konnte. Damit erfasse man in Deutschland die Maut auf den Autobahnen. Man hatte in Deutschland, genaugenommen im Hauptbahnhof Mainz, eine weitere Software ausprobiert. Dort war eine Kamera installiert gewesen, die auf eine Rolltreppe gerichtet war. Die Software hatte auch aus großen Menschenansammlungen treffsicher Gesichter herausgefunden und diese Personen zugeordnet. So konnte protokolliert werden, wer sich zu welcher Zeit an einem bestimmten Ort aufhielt.

»Die totale Überwachung«, sagte Jonas. »Wo soll das noch hinführen?«

»In Deutschland hat man das Experiment mit Freiwilligen durchgeführt, das ganze Projekt aus Datenschutzgründen aber wieder verworfen. Es gibt aber noch eine andere Spielart der Software. Die haben wir jetzt probeweise eingesetzt.«

Die gesamten Aufzeichnungen des Konzerts in Linköping seien von der Software analysiert worden, fuhr der Polisintendent fort. Das Programm erkannte auch in einer größeren Menschenmenge Abnormitäten. »Also Leute, die sich anders verhalten. Ich will Ihnen ein einfaches Beispiel nennen. In einer Gruppe von fünf Leuten trägt einer eine Brille. Der ist anders. Die Software markiert auch den einzigen Raucher unter zwanzig Leuten. Er weist ein atypisches Merkmal auf.«

»Wie soll das funktionieren?«, fragte Jonas skeptisch.

Das konnte Tällberg nicht beantworten. »Ich bin kein IT-Experte. Aber unsere Tests waren fast alle positiv.«

»Fast?«

»Wie gesagt. Es ist eine Betaversion. Wir haben das Experiment trotzdem gewagt.« Tällberg lachte. »Mit erstaunlichen Resultaten. Sie wurden markiert.«

»Ich? Weshalb?«

»Die Software nennt uns keine Gründe. Ich nehme an – pardon – weil Sie anders ausgesehen haben als die große Masse. Älter. Anders gekleidet. Und seriöser«, ergänzte Tällberg versöhnlich. »Erinnern Sie sich, dass Sie gefragt haben, ob Dr. Wallberg, Gripsholm und Markvist auch in Linköping waren? Tatsächlich zeigt eine Einstellung, dass Sie in einem bestimmten Moment nur eine Armlänge von Dr. Wallberg entfernt standen, ohne ihn gesehen zu haben. Für mich ist es der Beweis, dass man in einer großen Menschenmenge untertauchen kann. Man sieht, dass die Überwachung bei einer solchen Veranstaltung schwierig ist. Das Individuum ist unscheinbar.

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